dimanche 3 juin 2012

2012 - Wieder auf dem Hugenottenpfad in der Drôme


  

 

 

 

 

 

jochen Sicars


Von Die zum Col de Menée

Ein Jahr kann schrecklich lang sein, wenn man auf etwas warten muss. In diesem Falle war das die Anschlusswanderung auf dem Hugenotten- und Waldenserpfad, den ich im vergangenen Jahr entdeckt hatte und der Lust auf mehr machte. Die lange Wartezeit hatte ich damit verbracht, meine Erlebnisse in einem Blog zu verarbeiten, meine Frau hatte den Text übersetzt und die Vereinigung Sur les Pas des Huguenots hatte ihn auf ihrer Webseite veröffentlicht. Inzwischen hatte auch der Reisenanbieter SAFRANtours in Erkennung des Trends einen Etappen-Vorschlag von ca. 70 km erarbeitet, ein wenig an meine geplante Route angepasst und damit die Voraussetzung geschaffen, dass ein Nachtquartier zur Verfügung stehen und dass unser Gepäck von Herberge zu Herberge weiter transportiert würde . Unser Gepäck, denn dieses Mal wollte ich nicht allein gehen, sondern in Begleitung meines Schweizer Freundes Rainer. Es ist im übrigen nicht allein dies der Service des kleinen Unternehmens in Mirabel-et-Blacons, sondern auch die gesamte Verpflegung während der Zeit unserer Wanderung incl. Picknicks, für die in diesem Jahr als kleine Überraschung ein Iso-Rucksack mit Kühlaggregaten als Geschenk auf uns warten sollte.

Freitag, 11.05.2012 Sonne, Wolken – leichter Wind

Ich bin gestern per Autobahn angereist, habe meinen Freund Johannes Melsen, den „Erfinder“ dieses geschichtsträchtigen Weges und seine Frau Barbara (sie hatte im Oktober 2010 die gesamte französische Wegstrecke bis Genf in Begleitung von Pascaline Chambart und ihren Eseln zurückgelegt) in ihrem Bauernhof am Ende der Welt in Le Poët-Célard* besucht, ich traf endlich abends beim Essen den sympathischen Geschichtenerzähler Christian Jeanmart, wir hatten die Nacht zum Tage gemacht und ich hatte dort anschließend in einer eigenen „Suite“ genächtigt.
* Es gibt viele Orte Poët-...  in der Drôme; es soll soviel wie Hügel, kleiner Berg bedeuten

Der neue Tag konnte beginnen. Sogar mein Handy, das ich – mal wieder, sagt meine Françoise zu Recht – irgendwo verloren hatte, fand sich heute Morgen hinten unter dem Fahrersitz wieder, wo ich es in der Nacht vergeblich gesucht hatte.

Johannes Melsen hatte mich für heute zur Generalversammlung des Vereins Sur les Pas des Huguenots in Eurre nahe Crest eingeladen, wo die dortige Gemeinde sich wie viele andere in der Drôme der Nachhaltigkeit verschrieben und ein ganzes Quartier in alternativer Gestaltung und Bauweise ausgerichtet hat. Darunter ein kleines Kongresszentrum mit angeschlossenem Restaurant. So konnte ich einmal all jene kennen lernen, von denen ich während meiner Übersetzertätigkeit im Winter immer nur die Namen vernommen hatte (Übersetzung der französischen Webseite der Vereinigung ins Deutsche). In einer vorzüglich vorbereiteten Powerpoint-Präsentation wurde unter Einschränkung der üblicherweise lähmenden Prozeduren einer solchen Versammlung in zwei Vorträgen das Wesentliche zur Entwicklung des Hugenottenpfades entwickelt – unter Einbezug der Zuhörer, die mit eigenen Beiträgen zu Wort kommen konnten.

Nach der Arbeit ein Essen für um die sechzig hungrige Mäuler, das der armen Restaurantbesitzerin einige Logistikprobleme bereitete und dann los auf den Weg in die alte Festungsstadt DIE, wo auch mein Zür’cher Freund Rainer gerade in unserem Hotel für die nächsten beiden Übernachtungen La petite Auberge eintrifft, während ich mein Logbuch schreibe. Großes Hallo, einchecken und was nun tun mit dem Rest des Tages?


Die Stadt Die, die auf eine Geschichte von mehr als 2000 Jahren zurück blicken kann, hat Neues zu bieten: Um ihr in ganz Frankreich bekanntes Hausprodukt – die Schaumweine Clairette de Die und Crémant de Die – ins rechte Licht zu rücken, hat man ein neues Stadtfest ins Leben gerufen, Les Espiègleries (Eulenspiegeleien). Start heute. Wovon bei unserem Durchgang durch die Altstadt erst einmal gar nichts zu bemerken ist. Grabesstille, die alten, verwinkelten Gassen um 21 Uhr wie leergefegt. Die Rollläden herabgelassen. Erst am anderen Ende des Ortes ein Platz, auf dem zahlreiche Zelte Aktivität versprechen. Doch auch hier finden wir zunächst nur gähnende Leere, müde  Standbesatzungen und dann – endlich – ein Zelt mit Bühne, jedoch ohne Besetzung. Auf Nachfrage erfahren wir, dass hier um 23 Uhr etwas passieren soll, derzeit ist Sansévérino in einem weiteren Zelt angesagt, dieser vielseitige Sänger mit seinen genialen Texten, seiner Tango-, Zigeuner- und Jazzmusik, den ich schon immer mal live erleben wollte. Leider muss man uns abweisen; die Vorstellung ist seit einer Woche ausverkauft. Kurze Überlegung, ob wir uns wie früher zur Jugendzeit von der Seite unter der Zeltplane hindurch schleichen sollen? Verworfen.
Draußen mümmeln die vom Tage übrig gebliebenen Festbesucher in schwacher Beleuchtung Pizza oder Bratwurst; wir gehen dann mal…

Samstag, 12.05.2012 Sonne + Wolken

 Welch ein Unterschied! Wir hatten schon im Vorhinein beschlossen, den heutigen Tag mit der Erkundung von Die zu verbringen und der Ort zeigt sich heute von seiner besten Seite. Reges Treiben in allen Straßen, es ist Markt in weitem Umkreis um die Kathedrale Notre Dame, mit dem gewohnt überreichlichen Angebot an regionalen Produkten. Ohren betäubendes Geschmetter eines Blechorchesters lässt die Köpfe der Umstehenden nach hinten rucken; eine wild hüpfende, die Instrumente in alle Richtungen schwenkende Gruppe keineswegs junger Musiker produziert ihre Vorstellung von anregender Unterhaltung – von einer erkennbaren Melodie keine Spur. Und tatsächlich schart sich eine wachsende Menge um dieses Spektakel, ein Frau wird umringt und beschallt und geht selig lächelnd in dieser Kakophonie unter; die außer Rand und Band geratenen Tonkünstler steigen auf Stühle, dann auf die Tische der umliegenden Lokale ...



Wir ziehen weiter. Ein Stand der Clairette-Produzenten, malerisch umgeben von Mitgliedern der Confrérie des Compagnons de la Clairette gebietet Einhalt. Wir erfahren Grundsätzliches und Spezielles zu Clairette (ein milder Schaumwein) und Crémant (trocken) und dürfen natürlich probieren.



Doch es gibt noch vieles zu entdecken. Also auf zum Office de Tourisme, um Hinweise zu bekommen und eine Führung zum „Sahnestückchen“ von Die zu vereinbaren, dem 4-Flüsse-Mosaik.


Zunächst gehört eine Umrundung der verbliebenen Festungsmauern, zum Teil aus gallo-römischer Zeit, zum Pflichtprogramm. Beginnend an der Porte Saint Marcel, dem einzigen verbliebenen Stadttor, gewinnen wir schnell an Höhe und suchen vergeblich nach einem Zugang zur Zitadelle. Erst ganz zum Schluss müssen wir erkennen, dass man von der Stadtseite her in diesen Bereich „hineingebaut“ hat und dass die Zitadelle als solche nicht mehr existiert. Zur Freude derer, die sich diese Plätze an der höchsten Stelle intra-muros sichern konnten.

 

Noch auf der Runde um die Stadtmauern sehen wir immer wieder Ausbrechungen, hinter denen Baumaterial früherer Epochen sichtbar wird, das man wohl in harten Zeiten in aller Eile zur Auffüllung der Mauern eingesetzt hatte – römische Säulenstücke, behauene Hausfriese … Sicher eine Qual für den Historiker, der die Wahl zwischen Erhaltung der Mauer und Ausgrabung früherer Zeitzeugen treffen soll. Ein Anruf auf meinem Handy von Paul Zeller, stadtbekannter Bewohner von Die und ehemaliger Leiter des Verkehrsbüros, mit dem ich in Sachen Übersetzung der Hugenotten-Webseite mehrfach zu tun hatte: Er hat ein Stündchen Zeit zum Plaudern und kann uns bei einem „p’tit café“ vieles über seine Stadt erzählen. Dann weiter zu einem Sportausrüster; Rainer hat bei der Abreise in Zürich Wanderstiefel und Stöcke liegen lassen.

Ein Blick auf die Uhr, ein Schock, wir haben unsere Verabredung mit unserer Stadtführerin (wir nennen sie unter uns „Nathalie“ in Anlehnung an Gilbert Bécauds berühmtes Chanson) verpasst. Zurück ins Auto, nicht ganz korrekte Rückfahrt in die Stadtmitte, Parkplatz finden, Dauerlauf zum Office de Tourisme: „Nathalie“ ist noch da, wir waren ihre einzigen Gäste. Zunächst zögernd, dann doch voller Engagement, führt sie uns zum heute fast völlig verwaisten Bischofspalast und über eine seitliche Treppe hinauf in die ehemalige bischöfliche Kapelle, deren Fußboden das berühmte Vie-Flüsse-Mosaik aus dem 12. Jh. zeigt:



Um den zentralen Stern wird symbolisch das zu seiner Zeit bekannte Universum dargestellt. Hier gruppieren sich, den geöffneten Mündern von Stierköpfen mit menschlichen Zügen entspringend, die vier Flüsse des irdischen Paradieses, von denen wir Euphrat und Tigris entziffern können. Diese wiederum ergießen sich in die vier Himmelsrichtungen, Erde, Wasser, Luft und Vegetation haben ihren Bereich und viele andere Themen sind durch Werkzeuge unterschiedlicher Art repräsentiert. Das alles in sehr feiner Verarbeitung und heute sorgsam erhalten, nachdem der Raum zeitweise als Gerichtssaal oder für Hochzeitszeremonien genutzt wurde. Die Wände schmücken in Paris gefertigte Tapeten aus kartonstarkem Papier des 18. Jh. mit Ranken- und Figurenmotiven, die man nur mit Mühe der Sammelwut der Zentralregierung in Paris vorenthalten konnte, sowie einige Fresken.

Für die protestantische Kirche – in Frankreich Temple genannt – eine frühere Jesuitenkapelle, die während der Religionswirren oft den Besitzer wechselte und zwei sehr schöne Flügeltüren zeigen soll, reicht die Zeit der Führung leider nicht mehr. Wir verabschieden uns von „Nathalie“, der morgige Tag wird uns einiges abverlangen.


Wir genießen noch ein wenig die im Mai allenthalben aufbrechende Blütenpracht, dann schlendern wir zurück zu unserer Herberge gegenüber dem Bahnhof.

Die hätte uns ohnehin weit mehr zu bieten, als unser heutiges „Zeitfenster“ erlaubt. Seine Ursprünge gehen zurück auf das Volk der Voconces (lat. Vocontii) und der Ort verdankt seinen Namen der keltischen Kriegsgöttin Andarta (Dea Augusta Vocontiorum nach römischer Schreibweise). Viele Ereignisse haben seine Entwicklung begleitet, im Zusammenhang mit dem hier beschriebenen Hugenottenweg ist natürlich die Glaubensreform des XVI. Jh. von herausragender Bedeutung. 1562 geht die Mehrheit der Bevölkerung in und um Die zum reformierten Glauben über, gefolgt von zahllosen Kriegen „im Namen des Herrn“, die die Stadt mal in die Hände der einen, mal in die der anderen fallen lässt. Im XVII. Jh., während des Edikts von Nantes, entsteht dort eine protestantische Akademie, die Studenten aus ganz Frankreich, der Schweiz, Italien und Schottland anzieht und in der Latein, Griechisch, Hebräisch, Rhetorik; Philosophie und Theologie gelehrt wird. Doch auch hier ist mit der Aufhebung des Edikts von Nantes durch Ludwig XIV. die Zeit der Toleranz vorüber und die Verfolgungen, die Dragonaden und die Flucht in die Exilländer beginnen.

Für ein Abendessen in Frankreich ist es doch noch zu früh. Wir nutzen die Zeit für einen kleinen Ausflug in eines der Seitentäler des Vercors und erleben im Ort Saint Julien-en-Quint ein ganz besonderes Naturschauspiel: Von den Höhen des Vercorsplateaus wälzt sich vor einem stahlblauen Himmel eine geschlossene Wolkendecke wie ein Wasserfall über die in einem Halbrund um den Ort aufragenden Abhänge und zerfällt nach hundert Metern ohne das kleinste Überbleibsel. Wir fotografieren, aber hier bräuchte es wohl eine Filmkamera, um diesen einmaligen Eindruck festzuhalten.

Sonntag, 13.05.2012 Sonne –
Die > Châtillon-en-Diois – 18.4 km
Basis 300 m – Höchster Punkt 1400 m – Gesamter Höhenunterschied 1400 m

SAFRANtours hatte für den gestrigen Tag für diejenigen, die der reinen Wanderung den Vorzug geben, zur Einstimmung eine kleine Wanderung von 14 km auf die umliegenden Höhen geplant, die wir jedoch unserer kulturellen Neugier geopfert haben. Dass das keine so gute Idee war, zeigt sich gegen 16 Uhr, als ich mangels korrekter Vorbereitung lang ausgestreckt auf dem steil ansteigenden Weg zum Col des Caux liege, dem dritten Pass dieses Tages mit insgesamt 1400 m Höhenunterschied und nach Luft schnappe wie eine Fisch auf dem Trocknen.
Wir waren um 9 Uhr zu unserer 18.4-km-Wanderung von Die über Valcroissant nach Châtillon-en-Diois aufgebrochen und hatten mein in der Ebene gewohntes Tempo vorgelegt – allerdings nicht lange. Schon der Weg zum Pas de Bret steigt innerhalb 4,5 km auf 958 m an, ein GR (Chemin de grande randonnée, Fernwanderweg) durch ein Buchenwaldgebiet, später durch Föhrenwald -  Blick zurück auf Die – und senkt sich dann ab zur ersten Etappe, dem ehemaligen Kloster Abbaye de Valcroissant, heute landwirtschaftlich genutzt.

Für eine Besichtigung haben wir den falschen Tag gewählt; um diese Jahreszeit ist eine Führung nur Samstags möglich. Auch als Herberge kommt dieser Ort für uns nicht infrage, da Valcroissant nach eigener Aussage nicht in den Rahmen der von SAFRANtours angebotenen Unterkünfte passt; was mir jedoch spätestens um 16 Uhr völlig egal wäre!



Wir gehen weiter, immer noch zu schnell für diese Etappe, suchen vorsichtig unseren Weg durch ein Gebiet von Marnes (Mergel), genießen unser Picknick, überqueren den Col de l’Abbaye  und verlieren dann erneut an Höhe bis ins Tal vor dem letzten Anstieg. Jetzt machen sich doch meine 76 Jahre bemerkbar, ich sehe kaum noch die herrlichen Ausblicke in die umliegenden Täler, stur bleibt der Blick auf den Weg geheftet, der scheinbar endlos himmelwärts führt. 200 m vor dem Col des Caux wollen die Beine nicht mehr, also Pause. Danach übernimmt Rainer für den Rest des Anstiegs auch noch meinen Rucksack (5 Jahre weniger auf dem Buckel und Alpenerfahrung machen den kleinen Unterschied) und um 17h30 kommen wir in Châtillon an. Mit 1 ½ Stunden Verspätung auf die angegebene Zeit. Inzwischen pieken auch meine Knie vom Abstieg.

 

Unser Hotel du Dauphiné entschädigt uns zunächst einmal für die heutigen Strapazen, die wir ohne ausreichende Vorbereitung eingegangen sind. Empfang durch die Eignerin, schlank, kurz geschnittene, graue Haare, randlose Brille. Passt irgendwie nicht hierher und wie wir bald erfahren, hat sie sich hier mit ihrem Mann erst vor sieben Jahren installliert und bei ihrem Alter haben wir beide uns zudem um 10 Jahre nach unten verschätzt. Zwei Panaché, von der netten Dame gespendet, löschen den ersten Durst; Abendessen gibt es hier heute nicht – Sonntag Abend ist Ruhetag. Nach dem Einchecken und ausgiebiger Fußpflege Gang durchs Dorf hinauf zur Tour de l’Horloge, davor ein Brunnen, etwas weiter der Temple, ein schlichtes Bauwerk, 1792 anstelle der früheren protestantischen Kirche des 17. Jh. erbaut. Wir steuern zielsicher das Café de la Mairie an, wo für uns für heute das Essen reserviert wurde.

Ein jung-dynamischer, modern mit grauem Hemd zu schwarzer Hose gekleideter Ober geleitet uns an unseren Platz. Danach überrascht uns der Chef mit einer Folge von in Abänderung des geplanten Menus bestellten Genüssen, wie wir sie hier „am Ende der Welt“ so nicht erwartet hatten: Rillettes de SaumonSouris d’agneau bzw. gebratenes Fischfilet mit div. Gemüsen, Esskastanien- bzw. Apfeltorte an Vanilleeis - exzellent… Am Nebentisch zwei Wanderer aus unserem Hotel. Am Tisch gegenüber ein älteres Ehepaar, dem seit Äonen der Gesprächsstoff ausgegangen ist. Madame sucht Augenkontakt, traut sich ansonsten aber nicht…

Anruf auf meinem Handy:
„Hast du nicht möglicherweise etwas vergessen?!!! Ich hab’ schon dreimal angerufen und keiner geht ran!“
MEIN ANRUF ZU IHREM GEBURTSTAG !!! Das Elendsding von Telefon steckte den ganzen Tag im Rucksack, wo man es nicht hört.  Ich bin angemessen zerknirscht und wünsche noch viele, viele schöne Geburtstage (wo mir das vermutlich auch wieder passieren wird). Noch mal gerettet. Um 22h30 schleichen wir uns durch einen Seiteneingang in unser in stillem Schlaf liegendes Hotel. Zeit, Kraft zu schöpfen.

Montag, 14.05.2012 Sonne
Schleife um Châtillon-en-Diois – 10.6 km
Basis 570 m – Höchster Punkt 860 m – Gesamter Höhenunterschied 400 m

08h30 Frühstück; andere Wanderer schon am Tisch bzw. im Aufbruch. Wir haben es heute nicht eilig, SAFRAN hat zur Erholung eine Wegschleife ab Châtillon geplant, die uns in halber Höhe der Glandasse-Felswand nach Saint Roman und dann durch die Felder zurück führen soll. Ich fühle mich wieder in Form, also los.

Kein Trinkwasser, alle Läden sind noch geschlossen. Sogar das Touristenbüro öffnet erst um 10 Uhr. Auf dem Weg zu unserer heutigen Runde erreichen wir weiter oben wieder die Place de la Mairie. Auch hier nicht mal ein kleiner Tante-Emma-Laden. Ich frage eine Gruppe Einheimischer, die in unserem Restaurant vom gestrigen Abend den ersten p’tit café nimmt, wo wir denn nun an das unverzichtbare Nass kommen könnten. Belustigter Fingerzeig auf den in alle 4 Himmelsrichtungen speienden Brunnen auf dem Platz – ja, ja, Trinkwasser. Nun müsste man nur noch Flaschen haben!? Der auskunftsfreudige Einheimische erhebt sich, geht ohne weiteren Kommentar schräg über die Straße zu seinem Haus und kommt wenig später mit zwei leeren Plastikflaschen zurück. Diese Touristen…

Wir starten durch – und schon an der nächsten Ecke halten wir einen Garten, der ein wenig eigenartig eingerichtet ist, für den Friedhof, an dem wir nach rechts abbiegen sollen. Wir biegen rechts ab und erklimmen entschlossen den Zickzack-Weg, der sich vor uns auftut. Nach einer halben Stunde dürfen wir sicher sein, dass wir uns geirrt haben, der Weg verläuft immer mehr in nord-nordöstlicher Richtung, während Saint Roman laut Karte eindeutig im Westen liegt. Zurück bis ganz unten, rechts ab und nach 100 Metern liegt der Friedhof in seiner ganzen Pracht vor uns. Das war schon mal ein Kilometer mehr „zur Erholung“. Wir folgen nun – aufmerksamer – den Angaben unseres Wanderführers, finden am clue du suel den Abzweig links durch die angegebene Furt und nun geht es erneut nach oben.



Die Steigung lässt nach, der Weg verläuft ab 860 m Höhe waagerecht entlang der balcons de Glandasse unterhalb der steil aufragenden Felswände. Mit einer herrlichen Aussicht auf das Tal und weiter entfernt auf die Berge der Baronnies.


Zeit für unser Picknick, das uns unser Gastgeber liebevoll und wie immer zur reichlich vorbereitet hat. Auch hier, wie schon so oft in der Drôme erlebt, entstammen die Zutaten Produkten der umliegenden Landwirtschaftsbetriebe und die Vorliebe des Küchenchefs für den großzügigen Einsatz von Küchenkräutern und Gewürzen ist unüberschmeckbar, jedoch anregend und interessant. Für den, dem Wandern nicht alles ist: Leberpastete m. Kräutern - Reissalat mit Gemüse, Koriander und Gewürzen, Vollkornbrötchen – Nusstorte m. Praliné…

Von hier aus geht es nun ständig bergab, mal mehr, mal weniger steil und nach wenigen Kilometern beginnen meine Knie wieder zu rebellieren. Ich kann nur jedem Wanderer meines Alters auf den Spuren der Hugenotten (und auch woanders) raten, auf keinen Fall auf die heute so beliebten, verstellbaren Wanderstöcke zu verzichten, die beim Anstieg schieben helfen und beim Abstieg die rüdesten Stöße auffangen. Saint Roman zeigt sich als verschlafener Weiler in der Mittagshitze und wir halten uns nur kurz auf. Dann geht es auf dem Rückweg durch die mit cabanes (gemauerte Unterstände) gespickte Ebene mit ihren Weinkulturen und hier und da bereits ersten Nussbaum-Plantagen mit ihrem eigenartigen, orange-farbigen Flechtenbefall des Astwerks, auf dem nur zögerlich erstes Blattwerk ans Licht will. Die letzten ein-/zweihundert Meter auf der Departementalstraße 539, dann sind wir zurück in Châtillon und ein wohlverdientes Panaché verzischt auf der Zunge.

Die unumgängliche Dusche oben im renovierten, schlicht eingerichteten Zimmer stellt hohe logistische Anforderungen an den Ablauf der Prozedur: Keine Kabine, kein Vorhang, nur das reine (ja, auch reine) Duschbecken, umlegt mit gefalteten Handtüchern gegen Überschwemmung durch ungeschickte Benutzer. Die Übung gelingt, am zweiten Abend habe ich dann schon Routine. Knie einreiben, dann nach unten zum Essen. Heute Abend hat uns der Herr des Hauses empfangen, italienischer Typ, 3-Tage-Bart und als Chef auch jetzt wieder verantwortlich für unser leibliches Wohl. Wir nehmen das geplante Menu wie es ist: Cassoulet de St. Jacques, Raviols au citron et ciboulette, Faisselle au pavot mit Sahne bzw. Käseteller, Coeur fondant (Schokoladenkuchen m. weichem Innenleben), Vacherin für Rainer.

Uns ist nur wenig Zeit geblieben, uns Châtillon einmal näher anzusehen, trotzdem es lt. Wanderführer einiges zu bieten hat. Auch Châtillon wurde wie Die bereits zu gallo-römischer Zeit gegründet und zählte schon 1239 fünfzehnhundert Einwohner innerhalb seiner Stadtmauern. 1561 entstand die erste reformierte Kirche, als die Hälfte der Bewohner zu diesem Glauben gewechselt hatte. Später, nach der Aufhebung des Edikts von Nantes, wurde das Schloss zerstört, um den Reformierten diese Rückzugsmöglichkeit zu nehmen; viele flohen nach Norden Richtung Schweiz und Deutschland. Später verschwanden auch die Stadtmauern, die die verwinkelten Gassen mit ihren dicht an dicht stehenden Häusern schützten. Häuser, die hier gelegentlich als Besonderheit außen liegende Treppen als Zugang zur ersten Etage aufweisen, unter denen früher der Zugang zum Schweinestall lag. Auch die Tour de l’horloge, den Uhrenturm, haben wir nur von außen gesehen. Doch ist es ja hoffentlich nicht das letzte Mal, dass wir auf diesen Wegen wandeln.

Mit einiger Sorge denke ich allerdings an den morgigen Tag: Geplant sind zwei Wege nach Les Nonières am Fuße des Col de Menée

  • ein 17 km langer durch den Cirque d’Archiane, entlang an hoch aufragenden Abhängen in ocker, rosé oder grau, gespickt mit Felsnadeln und gezackten Bergkuppen, wo man auf besonders eindrucksvolle Weise die Entstehung dieses Gebirges aus ehemaligem Meeresboden und seinen Ablagerungen erkennen kann. Er führt unter Umgehung des Ortes Menée über Bénevise direkt nach Les Nonières
  • oder ein 11 km langer, der im Zickzack hinter führt nach Menée und auf der anderen Seite über Bénevise wieder hinauf nach Les Nonières.Auf beiden ist ein Höhenunterschied von 1250 m zu bewältigen und nach den bisherigen Erfahrungen habe ich Sorge, meinem Freund Rainer „die Tour zu vermasseln“.

Dienstag, 15.05.2012 Sonne und Wolken
Châtillon-en-Diois > Les Nonières – 17.3 km
Basis 570 m – Höchster Punkt 1150 m – Gesamter Höhenunterschied 1250 m

Draußen vor dem Fenster die ersten Tagesgeräusche, Châtillon erwacht. Packen, alles gesammelt im Flur hinter der Rezeption – es kann losgehen. Entgegen meinen Befürchtungen hat die Behandlung meiner Knie gewirkt, ich fühle mich dem Tag gewachsen. In der Rezeption schon andere, jüngere Wanderer, mit großen Rucksäcken bepackt und startfertig. In 5 Tagen nach Genf. Na denn…

Ab place de la mairie rechts ab entlang der Asphaltstraße und dann gleich ein steiler Anstieg, der uns zunächst wieder durch Buchen- und dann Kiefernwälder hoch zum Col Gorodel führt. Eingedenk der  bisherigen Erfahrungen ist unsere Schrittlänge inzwischen auf moderate 30 cm zwischen Fußspitze und Hacken geschrumpft und der steile Weg bietet nicht das geringste Problem. Drei junge Frauen überholen uns eiligen Schrittes; am Col Gorodel sitzen sie dann immer noch, um wieder  zu Atem zu kommen. Späte Genugtuung.


Hier, wie auch schon seit Beginn unserer Wanderung, finden wir rechts und links des Weges immer wieder ganze Ansammlungen von Enzian, anderswo längst eine Rarität. Rainer träumt von einer Wanderung im Herbst und reichlicher Pilzernte. Warum nicht mal irgendwann?





Wir hätten den Blick lieber etwas höher richten sollen: Nach 1 km auf zunächst gut begehbarer Piste stellen wir fest, dass wir einen Abzweig verpasst haben. Zurück – da ist das Schild, reichlich hoch und nur schwer erkennbar auf dem Abhang. Erneuter Anstieg, dann geht es wieder leicht abwärts durch das Mischwaldgebiet, bis wir zum Abzweig des Weges hinunter nach Menée gelangen und sich nun die Frage noch einmal stellt: Den langen oder den kurzen ? Angesichts des Zeitverlustes erhält der kurze den Zuschlag, jedoch mit dem innerlichen Versprechen, den Weg über den Cirque d’Archiane eines Tages einmal nachzuholen. Im Zickzack abwärts, es geht besser als gedacht und um die Mittagszeit sind wir unten.




Wieder eines dieser unnachahmlichen Picknicks, dann Attacke auf den Berg, auf dem der Ort Bénevise zwischen  Almenwiesen sein beschauliches Dasein führt. Ein Berg, vor den unser Schöpfer aber einige Mühen gesetzt hat: Steiler Anstieg, immer noch ein weiterer, wenn man schon glaubte, oben zu sein – und dann sind wir schon fast vorbei, bevor wir es richtig merken.
Nach einem Stückchen Landstraße und einer letzten steilen Abkürzung nach unten liegt das schöne Örtchen Les Nonières vor uns. Ländliche Idylle , Ziegenherde …




Und gleich darauf ein Hotel, wie wir es hier nicht erwarteten, nach dem Hausberg des Ortes Le Mont Barral genannt.


Altbau, renoviert, großer Anbau, enormer Speisesaal. Eine Thaifrau empfängt uns – in ENGLISCH und geleitet uns nach oben. Modern eingerichtete Zimmer mit Dusche, WC und Balkon. Rainer entdeckt sogar schweizerisches Toilettenporzellan. Wir können diesen Komfort gebrauchen und wenig später liegen wir erst einmal auf den Betten und lassen die Ereignisse des Tages vor dem inneren Auge vorbeiziehen. Draußen sind inzwischen schwarze Wolken aufgezogen und dann haben wir auch schon alle Hände voll zu tun, um unsere auf dem Balkon zum Lüften aufgehängten Sachen vor dem Platzregen zu retten. Rainers’ Handy will nicht, er hat die pre-payd-card ohne Rahmen eingeschoben und nun will sie nicht wieder raus. Endloses Angeln mit allerlei Gerätschaften, dann ist sie endlich richtig drin – und will trotzdem nicht funktionieren.
Das für uns reservierte Abendessen ist heute schon mehr „internationale Küche“: Vorspeisenteller auf einer Schieferplatte, Schweinekotelett mit Senfsauce und Gemüse, den Nachtisch habe ich vergessen, war wohl nicht so toll…

Mittwoch, 16.05.2012 Rasende Wolken aus Ost, kalt
Les Nonières > Col de Menée
Basis 865 m – Höchster Punkt 1460 m – Gesamter Höhenunterschied 595 m

Der letzte Tag. Zwei WandererInnen irren auf der Piste zum Col de Menée und suchen den Einstieg zu ihrem Weg auf einen der umliegenden Berge. Wir finden ihn gemeinsam und starten zu unserer letzten Unternehmung, dem Weg auf die vorgenannte Passhöhe, der nicht von SAFRAN geplant wurde, den man aber ohne Mühe mit dem vom Verein Sur les Pas des Huguenots herausgegebenen Führer auffindet.

Ein kurzes Straßenstück, das bald zur Fahrpiste wird, dann links der Einstieg in die Bergwelt, die hoch über uns mit kahlen Kuppen droht. Dort oben ist unser Ziel. Wieder unglaubliches Auftreten von Enzian entlang des Weges – niemals in dieser Menge gesehen.


Rechts die Cascade du Sapet, ein Wasserfall, zweimal stößt der Weg auf Schleifen der Passtraße, dann – nach der Ferme du Désert, die wir nicht entdecken – geht es über Almwiesen, vorbei an einer aufgelassenen Farm und Gerippen von durch Raubgetier geschlagenen Lämmern, wieder in ein Laubwaldgebiet. Hier liegt noch Schnee der letzten Nacht und es wird eisig kalt. Oben ein Gatter, erneute Almen und immer weiter geht es bis auf ca. 1450 m Höhe, wo uns der Wind fast umbläst und kaum noch ein Halm wächst. Temperatur um Null Grad.




Die vorsorglich mitgenommenen Pullover erweisen sich als viel zu dünn. Endlich vor uns der lang erwartete Weg, der links hinunter zum Pass führt; um hierher zu gelangen, musste man an einer Bergflanke hoch und an einer anderen hinunter wandern, um zur Passhöhe zu kommen. Dazwischen eine tiefe Bergfalte.

Am Pass heult uns aus dem Tunnel zur anderen Seite ein orkanartiger Wind entgegen, der jeden Wunsch, mal drüben ins Tal des Trièves hinunter zu schauen oder bis zum Gipfelkreuz hoch zu klettern, im Keim erstickt. Wir packen im Windschatten der Kuppe unser Picknick aus und sehen mit Schrecken, dass es noch 4 Stunden sind, bis uns hier das bestellte Taxi abholen wird. Der Entschluss ist einstimmig: Wir gehen die 10 Kilometer auf der D120 nach unten lieber zu Fuß und wir sind auch tatsächlich lange vor dem Taxi wieder am Hotel.


Unterwegs ein deutsches Pärchen mit einem Minihund, der ein anderthalb Meter langes Aststück stolz vor sich herträgt und sich durch nichts zur Hergabe verleiten lässt.


Man fragt mich oft, ob denn dieser Hugenottenweg tatsächlich geschichtlich belegt ist und vielleicht sollte ich das hier einmal grundsätzlich beantworten. Sicher ist, dass seit den Katharern oder Albigensern im XII. Jh. Andersdenkende von der katholischen Kirche als Ketzer verfolgt wurden. So war es auch bei den Waldensern im XVI. und schließlich bei den Reformierten im XVII. Jh.. Da im Gebiet der Drôme von Dieulefit, Die und vielen Orten im Diois bis hin nach Genf große Bevölkerungsteile zum protestantischen Glauben übergetreten waren, durften sich die Flüchtenden nach dem Widerruf des Edikts von Nantes auf dieser Route ins Refuge vor Verfolgung einigermaßen sicher fühlen und konnten auf die Hilfe ihrer Glaubensbrüder setzen.

Geheime Zeichen an Häusern und die sog. „méreaux“ ** als Ausweise bewahrten sie vor unangenehmen Überraschungen, marschiert wurde nach Möglichkeit in der Nacht. Wir hatten heute beim Aufstieg zum Pass große Mühe, uns die armen Menschen der damaligen Zeit auf ihrer Flucht vorzustellen, schlecht gekleidet, jämmerliches Schuhwerk, Alte, Frauen und Kinder, ständig in Gefahr, sich zu verlaufen, abzustürzen und das alles in Eis und Schnee, Kälte und Regen.
Sehr schön beschreibt das Johannes Melsen in seiner kleinen, zweisprachigen Geschichte „Aller simple…/Einfach gehen…“ über einen Hugenotten, der sein Land und seine Familie hinter sich lässt, um den Weg in ein neues Leben zu erkunden.

Man hat zur Festlegung des heutigen Hugenotten- und Waldenserpfades in Frankreich als Eckpunkte zum einen die Orte gewählt, die einen besonders hohen Reformiertenanteil aufwiesen, dazu Standorte reformierter Kirchen und Kapellen, Orte der geheimen Treffen (le désert), wo Prediger unter Gefahr für Leib und Leben die neue Lehre verkündeten, Stellen, an denen man auf die privaten Friedhöfe der Hugenotten trifft und zum anderen geschichtlich belegte Fluchtrouten.


Zum Beispiel diese hier über den Col de Menée. Dessen Name im übrigen nicht, wie fälschlicherweise behauptet wird, Mitternachtspass bedeutet, weil die Flüchtenden ihn nächtens überquerten, sondern Pass der Schneewehen ***. Soweit zu dieser Frage.


** méreau  http://fr.wikipedia.org/wiki/M%C3%A9reau – Zu Zeiten Calvins  wurden die méreaux (Metallmünzen) den Gläubigen gegeben, die der Teilnahme am hl. Sakrament würdig waren, daher vielfach die Darstellung des Kelches und des Brotes auf einer Seite. Im XVII. Jh., zur Zeit der Versammlungen „au désert - in der Wüste“ dienen sie u.a. dazu, unbekannten Teilnehmern Zutritt zu gewähren.
Ein Name, den man (u.a.) in der Franche-Comté einem Sturm gibt, der im Winter bei eisigem Nordwind den Schnee vom Boden hochwirbelt, der dann am nächstliegenden Hindernis festgehalten wird und sich zu kompakten Eisschneewehen verdichtet. Diese Schneewehen unterbrechen sogar gelegentlich den Eisenbahnverkehr.

Noch schnell einen Tee zum aufwärmen, dann steht das Taxi vor der Tür; wir packen ein und kaum eine Stunde später werden wir wieder in Die am Hotel sein, wo wir unsere Autos für die Zeit der Wanderung parken konnten. Verglichen mit dem Zeitaufwand der letzten vier Tage…

Wir nehmen von Die aus die Passstraße über den Col de la Chaudière, den ich schon im vergangenen Jahr zu Fuß und später auch per Taxi überquert habe. Nach endlosen Schleifen kommen wir oben an; auf dem Parkplatz ein Wohnmobil aus Deutschland, davor seine Besitzer, gemütlich in ihr Mittagessen vertieft.

Ich zeige Rainer den Zugang zum Weg durch die Schwarzmergelpassage. Schon hat jemand eines der Hinweisschilder am dortigen Wegweiser des Hugenottenweges abgerissen, nur ein Rest des Haltebügels existiert noch. Notiz für J. Melsen, dann weiter. Letztes Jahr hatte mich noch der Taxifahrer mit seiner „coolen“ Fahrweise ins Schwitzen gebracht, heute, selbst am Steuer, bereiten auch die engsten Kurven am Abgrund kein Problem. La Chaudière, Bourdeaux, viele Erinnerungen kommen hoch an meine Wanderung im vergangenen Jahr.

In Le Poët-Célard  haben wir für heute Nacht eine Herberge im Hotel/Gîte/Chambre d’Hôtes/Camping Le Grand Bois, einem von Holländern bewirtschafteten Bauernhof mit paradiesischer Umgebung reserviert und checken erst einmal ein, bevor wir weiter zu meinem Freund Johannes fahren.

Barbara ist allein im Haus, Johannes wieder auf der Walz, um in Grenoble Sohn und Tochter abzuholen. Die Freude ist groß, als sie und Rainer sich in schwyzer-dütsch unterhalten können. Dafür bin ich nun „draußen vor“ und verstehe keine Wort mehr. Dann Bewegung vor dem Haus und drei Minuten später hat sich die riesige Wohnküche gefüllt, freudiges Wiedersehen, Erzählen und dann geht es dem riesigen Huhn zu Leibe, das braun und knusprig in der Bratröhre eines Herdes von Hotelküchenkaliber wartet. Johannes kann von seinen neuen Projekten in Sachen Theater berichten, man hat in der Nähe von Die ein aufgegebenes Kloster übernommen und richtet es für künftige Aufführungen und Seminare her, demnächst stehen wieder Brüssel und Amsterdam auf der Agenda, in Deutschland und der Schweiz werden mehrere Wegetappen eingeweiht…
Ein Mensch mit scheinbar unerschöpflicher Energie – „unkaputtbar“, warb Coca-Cola mal bei einem Versuch für Flaschen aus Kunststoff.

Donnerstag, 17.05.2012 Sonne

Auch gestern Abend hat es wieder länger gedauert, schließlich war es unser letzter Tag und mit großem Bedauern mussten wir Abstand davon nehmen, heute noch auf einer für das Publikum geplanten Wanderung mit Lesungen an verschiedenen Orten teilzunehmen. Jetzt haben wir in geräumigen Zimmern bestens geschlafen, haben unsere Autos gepackt und erfreuen uns an einem ausgiebigen Frühstück. Eine ganze Motorrad-Gang fällt ein, bereits abenteuerlich ausstaffiert mit ihrem Lederoutfit, Kopftüchern oder Stirnbändern. Der Raum wird für einen Moment zu einem kräftig animierten Biker-Camp – dann sind sie, unter dem Dröhnen ihrer zwanzig schweren Motorräder,  schon wieder weg,  „On the road again“.

Auch für uns wird es Zeit, den Rückweg anzutreten. Rainer, den ich eigentlich als einen sehr ruhigen, fast wortkargen Menschen in Erinnerung hatte (Segler, ursprünglich Norddeutscher, das verpflichtet), hatte plötzlich tausende von Dingen zu erzählen, sah vieles in Natur und Umgebung, was anderen entgeht und erwies sich als der ideale Begleiter auf einer solchen Tour. Schon am zweiten Tag der Wanderung stellte er vorsichtig in den Raum, dass er sich sehr gut eine Wiederholung im nächsten Jahr vorstellen könne. Es brauchte keine Zauberfee, um ihm diesen Wunsch zu erfüllen.

Ein letzter Gruß, dann macht sich jeder auf den Heimweg. Rainer auf die 650 km nach Zürich, ich zurück nach Taradeau im Var.


Info zum Begriff Le Poët - Fundstellen in F:
Das Dorf Poët ist auf dem Südhang eines Berges von 650 m Höhe erbaut, der die Ebene, die seinen Namen trägt, von der von Upaix trennt. Von diesem Berg stammt der Name des Ortes her: Podietum, die kleine Anhöhe (Verkleinerung von Podium, Berg in Spätlatein), zusammengezogen zu Poetum und dann Poëtt.
Le Poët-Laval bedeutet "kleiner Berg im Tal" (pogetum vallis)

SAFRANtours
Vercors Escapade

Mittwoch, 24.05.2011 Taradeau/Var
Wieder unterwegs mit meinen Leih-Hunden von der Ziegenfarm. Die gewohnte Schrittlänge von 90 cm, Geschwindigkeit 6 km/h...

Was sollte da noch gewesen sein mit müden Beinen und Atemnot… ?