mercredi 16 novembre 2011

2014 Von Le Poët-Laval nach Dieulefit











Jochen Sicars

 
Von Le Poët-Laval nach Dieulefit

Diese Etappe hatte ich 2011 aus meinem Programm ausgespart; es passte zeitlich nicht, weil ich noch im Var wohnte und eine längere Anreise hatte. Inzwischen habe ich meine Liebe zur Drôme und zum Hugenotten- und Waldenserpfad entdeckt (er heißt hier in Frankreich Sur les Pas des Huguenots) und bin inzwischen sogar nach Dieulefit umgezogen. Gibt es einen besseren Beweis? Um die richtige Reihenfolge zu wahren, setze ich also diese kleine Wanderung, die ich bereits mehrfach wiederholt habe, nun meiner 2011er Wanderung voran. Wir haben heute einen herrlichen Sonnentag Mitte November, was könnte schöner sein, als diesen Weg unter die Wanderstiefel zu nehmen. Machen wir es mal in Form einer geführten Wanderung, folgen Sie mir:


Le Poët-Laval (pogetum vallis / kleiner Berg im Tal)

Hier in Le Poët-Laval, einem der schönsten mittelalterlichen Dörfer Frankreichs, beginnt der 1600 km lange Kulturwanderweg „Sur les Pas des Huguenots“ nach Bad Karlshafen in Deutschland, genauer noch am „Musée du Protestantisme Dauphinois“. Dieses Hugenottenmuseum ist ein absolutes Muss und wir haben es bereits am Vortag besichtigt, da es üblicherweise nur nachmittags von 15 Uhr bis 18 Uhr 30 geöffnet ist und wir einen halben Tag verlieren würden. Nur in der Hochsaison ist das Museum auch morgens von 11 bis 12 Uhr für ein Stündchen zugänglich. Es ist inmitten des hoch gelegenen alten Dorfes in einem ehemaligen Wohnsitz aus dem 14. Jh. eingerichtet, der 1622 in eine protestantische Kirche (temple) umgewandelt wurde. Diese Kirche ist eine von drei reformierten Kirchen Frankreichs und darunter die einzige der Dauphinée, die nach dem Widerruf des Edikts von Nantes unzerstört geblieben und noch immer erhalten ist. Sie ist vom Museum aus zugänglich. Später wurde im Ortsteil Gougne unten im Tal eine neue Kirche errichtet, die ebenfalls noch besteht, jedoch aufgegeben und 2013 vom Verein Sur les Pas des Huguenots erworben wurde. Sie soll später den Verwaltungssitz der Vereinigung aufnehmen.

Im Museum selbst ist sehr aktuell und anschaulich die Geschichte des Protestantismus von der Reformation bis heute dargestellt, ergänzt durch interessante Zeitzeugen wie Jahrhunderte alte Bibeln, Psalmen und andere Dokumente, Gegenstände, die bei den Gottesdiensten im Untergrund (le désert) verwendet wurden, alte Musikinstrumente, das Modell einer Galeere ...  Wer ein wenig die Geschichte kennt, weiß, dass schon während der 30-jährigen Religionskriege und erst recht nach dem Widerruf des Edikts von Nantes die Reformierten ihren Glauben heimlich leben mussten; sie versammelten sich mit ihren Predigern in abgelegenen Gebieten, Schluchten oder Wäldern (der Bois de Vaches in der Nähe von Le Poët-Célard ist ein gutes Beispiel) – immer in Gefahr, entdeckt zu werden. Wenn es dazu kam, fanden sich die Frauen im Turm von Crest wieder, die Männer wurden auf die Galeeren verbannt und die Prediger gehängt. So weit zur Einführung, kommen wir zum Weg: 


Der beginnt also hier am Museum, wir erklimmen nach einem Rundgang durch den Ort mit seinen schönen Beispielen der Renaissancearchitektur die Stufen hoch zur Burg (ein Herrensitz des Johanniterordens; kann besichtigt werden, die Aussicht lohnt) und nehmen dann den Ausgang zum Parkplatz unterhalb des Friedhofs, der, so sagte man mir,  seinerzeit mit einer durchgehenden Mauer in Bereiche für die katholischen und die reformierten Verstorbenen unterteilt wurde. Das war bereits ein großes Zugeständnis, denn man findet hier in der Gegend noch heute zahlreiche kleine Friedhöfe auf Privatgrundstücken, da zu bestimmten Zeiten kein Reformierter auf den öffentlichen Friedhöfen seine letzte Ruhe finden durfte.

 
Zur Geschichte des Johanniterordens


Die "Mauer"




Hier oben steht der erste Wegweiser für Wanderer mit den typischen gelben Schildern und einer Metallkappe oben mit Namen und Höhenangabe des Wegweisers. 5.8 km bis Dieulefit. 

Wir folgen dem Hinweis mit dem Zeichen des Hugenotten- und Waldenserpfades, dem "Wandermännchen" auf blauem Kreis über grüner Wellenlinie, Richtung Dieulefit. Es geht auf steiler Asphaltstraße in Kurven abwärts, vorbei an einem Rastplatz mit Picknickplätzen und unten bei den öffentlichen Toiletten links ab weiter auf der Straße. Beim Holzkreuz auf dem Sockel geht es wieder links ab (weißes Hinweisschild DIEULEFIT). 



Ab hier findet man an allen wichtigen Punkten kleine Schilder mit dem Hugenottenwegzeichen. Man muss nur gut hinsehen. Wir folgen der asphaltierten Straße bis zur nächsten Kreuzung und nehmen die Straße rechts abwärts entlang eines Flusses, wiederum bis zur nächsten Kreuzung. Links ein riesiges Anwesen in Restauration, die Vorstellung eines zu Geld gekommenen Bürgers Ende des 19. Jh. von repräsentativem Wohnen mit seinen Türmchen, Zinnen, Galerien und sonstigem Zierrat, ein Tor wie vor dem Eliséepalast ...  Wir biegen links ab auf einen Fahrweg und folgen diesem, vorbei an einem Sandabbau. Heute sind erstaunlich viele Wanderer unterwegs - die Sonne lockt nach Tagen sintflutartigen Regens. Ein Mann mit einem mehr als gut genährten Hund kommt uns entgegen; das arme Tier leidet und ein Blick auf Herrchens' Mitte lässt erraten, wer die Schuld an diesem Übel trägt. Die Straße ist kurzzeitig wieder asphaltiert, dann wird sie erneut zu einem Fahrweg.

Wir wandern weiter, der Weg verliert sich im Wald und kurz darauf stehen wir vor einer Furt durch einen nach den letzten Regengüssen vier Meter breiten Fluss (im Sommer kann man ihn mit einem guten Sprung überwinden). Wir steigen über den Elektrozaun links und überwinden den Fluss über eine gleich dahinter angebrachte Planke. 

Wieder der E-Zaun, weiter auf unserem Weg und dann nehmen wir bei einem derzeit etwas lädierten blauen Hinweisschild und der darauf folgenden Gabelung rechts den steinigen Weg, der zu dieser Zeit zu einem kleinen Fluss mutiert ist. Doch an seiner linken Seite haben findige Wanderer längst einen Parallelweg "getrampelt", dem man nun besser folgt.

Nach einigen hundert Metern verlassen wir den Fluss und schlängeln uns eine Zeit lang durch den Wald, bis wir an dessen Ende auf einen breiteren Weg stoßen, der links hoch führt. Eine Wiese rechts, links die Bergkette, die Dieulefit vor dem Mistral schützt, so erklimmen wir langsam wieder eine Höhe um 450 m. Links zurück eine herrliche Sicht auf Le Poët-Laval, nun bereits recht weit entfernt. Dann sind wir ganz oben auf dem Sektor Les Hautes Plattes. Wiesen rechts und links, eine Schafherde, fast noch frisch geschoren, mit zwei Lämmern! Ich könnte schwören, dass die zu Ostern kommen, aber vielleicht hat es ja auch bei den Schafen mal jemand eiliger als alle anderen ...

Hier geht es nun eigentlich rechts abwärts zur Stadtmitte von Dieulefit, aber die Zeit reicht noch, um eine der Sehenswürdigkeiten meiner neuen Heimatstadt zu besichtigen, den Canyon de la Dame blanche, der seinen Namen einer weißen Ader in dem ansonsten gelben, tonigen Sandvorkommen verdankt. Wir nehmen den gerade mal fünfhundert Meter langen Weg Richtung Les Vitrouillères - schon nach kurzer Zeit sehen wir eine der hohen Sandwände aus dem Wald lugen und kommen bald darauf am oberen Rand des Canyons an. Ein Weidezaun, eine Bank, nochmals tolle Aussicht auf Le Poët-Laval in der Ferne, ein gelbes Schild "Dame blanche" zeigt nach links unten auf eine steile Treppe. Na denn ...

Wir hangeln uns am aus Naturholz gefertigten Handlauf entlang nach unten, folgen einem Pfad durch das Gehölz und steigen von dort aus die steilen und holperigen Treppen und Wege hinunter in die Sandgrube ab, wo uns eine Vielzahl von attraktiven Fotomotiven erwartet, u.a. ein durch Auswaschung entstandener Durchbruch in der Art des Pont de l’Arc in der Ardèche *. Am Fuße dieser hohen Sandwände hat sich ein See gebildet. Und natürlich müssen wir nachher wieder zurück nach oben, um weiter auf unserer Tagesetappe voran zu kommen - nach Dieulefit.

2015:   Dieses Motiv ist nun leider Geschichte. Einer unserer massiven Regengüsse des Frühjahrs
                hat den Bogen zum Einsturz gebracht

Zurück oben am Canyonrand geht es auf gleichem Wege wie zuvor zurück bis zum Ausgangspunkt unserer "Abschweifung", dann links abwärts über die Asphaltstraße (rechts die jetzt abgeernteten Lavendelfelder, die im Sommer ihren betörenden Duft verbreiten, links Panoramasicht auf Dieulefits' Hausberge,




den Doppelberg Les Ventes, daneben der Montmirail - zwischen beiden verläuft der Hugenottenweg nach Comps - danach der Doppelberg Le Roc und ganz hinten rechts der mit der kahlen Platte, der 1500 m hohe Miélandre).Unten an der Umgehungsstraße Dieulefits, stoßen wir wieder auf einen Wegweiser der zu Beginn beschriebenen Art, Maleval, Höhe 390 m. Von hier sind es nun nur noch wenige hundert Meter bis zur Ortsmitte. Unsere erste Etappe auf den Spuren der Hugenotten ist geschafft.



 
Dieulefit - Partie am Ufer des Jabron



Dieulefit (Dieu le fit / Gott schuf es)

Die Stadt kann auf eine lange Geschichte seit der Keltenzeit zurückblicken. Beschränken wir uns hier auf die Zeit nach 1561, als der Lehnsherr von Vesc und Herr eines Teils von Dieulefit (übersetzt: Gott schuf es) zum reformierten Glauben übertrat. Zu dieser Zeit bestand bereits die Altstadt, die „Viale“, in der es neben der katholischen Kirche Saint Roch (heute St. Pierre) auch eine reformierte gab (Heute existiert davon nur noch ein Hinweis zum ehemaligen Standort). 




Die Kirche wurde im 19. Jh. unten an der place de Chateauras, auch place du temple genannt, neu erbaut, wo wir gegenüber vor der Geschäftszeile unseren nächsten Wegweiser antreffen. 

Rund um den Platz laden das Restaurant-Pub Au Bureau, oder die Crèperie Le Coquelicot mit ihren Appetit anregenden Speisekarten zu einem Gläschen, einem Eis oder einer kräftigen Mahlzeit ein ...




Dieulefit, das ist vor allem die Stadt der Töpferei. Seit urgeschichtlicher Zeit ist die Töpferei, zunächst in Aufbau- oder Wulsttechnik, im Tal des Jabron und insbesondere in Dieulefit bekannt. Seit der Entdeckung kaolinhaltigen Tons vor Ort lieferten die Tongruben von Poët-Laval und Dieulefit feuerfeste Erden guter Qualität. 




Die Töpferei perfektioniert sich im Laufe der Jahrhunderte durch Drehscheiben und Brennöfen und wird zu einer vollwertigen Beschäftigung im ganzen Tal. Die Zahl der Handwerksbetriebe erhöht sich zwischen dem XVII. und XVIII. Jh. von 9 auf 80. Im Laufe des XVII. Jh. siedeln sich die Werkstätten, insbesondere wegen der Belästigungen und Brandrisiken, auch außerhalb der Stadtmauern an. Da für das gleichmäßige Brennen viel Holz benötigt wird, tragen die Töpfer zu einem großen Teil zur Abholzung der Gemeindewälder bei. Zwar wäre danach ein Nachwachsen möglich gewesen, doch entstanden durch Ziegenherden beachtliche Schäden. Als Resultat wurden in den Ebenen Rinnen ausgewaschen, in denen Geröll und Boden der entwaldeten Berge angeschwemmt wurden. Es entstand so zum Ende des XVII. Jh., zur Zeit des Exils, zwischen Le Poët Laval und Dieulefit aus einem durchgängig bewaldeten Tal die kahle Prärielandschaft, wie wir sie heute kennen.

Die großen Töpfereimanufakturen für Gebrauchsgeschirr sind heute Geschichte; heutzutage wirbt eine Vielzahl von kleinen Kunsttöpfereien mit dekorativen Schöpfungen um die Gunst der Passanten. Das Haus der Töpferei zeigt einen guten Querschnitt des heutigen Schaffens und ständig wechselnde Ausstellungen.



Dieulefit ist auch stolz auf ein weiteres Produkt, das es nur im Landkreis Dieulefit gibt: Picodon heißt es, ein Ziegenkäse. Wenn Sie irgendwo in der Gegend auf eine Gruppe dieser munteren Geißen hier stoßen, können Sie nicht mehr sagen, Sie hätten es nicht gewusst. Und was diesen Käse so hoch über alle anderen stellt, können natürlich nur echte Bewohner des Ortes erklären. Mit Überzeugung!

Dieulefit, das ist auch die Stadt mit dem gesunden Mikroklima, in deren Reha-Zentrum Dieulefit Santé Patienten mit Herz- und Atmungsproblemen sich erholen können.

Und schließlich hat Dieulefit noch einen ganz besonderen Ruf: "Stadt der Gerechten", ein Ehrentitel, den Israel ihr zum Dank für die Aufnahme und den Schutz 
von weit über tausend Menschen während der Nazizeit - und darunter sehr vielen Juden -  verliehen hat. Namen wie Marguerite Soubeyran, Catherine Kraft oder Jeanne Barnier wird hier niemand vergessen. Auch zahlreiche deutsche Künstler - wie Walsken, Wols oder Eisenschitz, um nur einige zu nennen - haben hier zu jener Zeit ihr Refugium gefunden. Ein besonderer Erinnerungsweg in der Nähe der Beauvallon-Schule erinnert daran. 

Dieulefit, Dieulefit - OK, ich liebe meine neue Heimat. Na und ... ? 



Von der Place de Châteauras aus nehmen wir die Hauptgeschäftsstraße Dieulefits, die Rue du Bourg und folgen ihr in ganzer Länge. Rechts das Restaurant Aromat (kann man kaum lesen, ist aber unser Lieblingsrestaurant hier). Nach dem Uhrenturm am Office de Tourisme , dem Rathaus und der Stadthalle erreichen wir nach ca. 200 Metern die Square du Docteur Springer mit einem weiteren Wegweiser nach rechts. Die Straße nennt sich lt. Stadtplan Rue casse-cou (Halsbrecherstraße), doch ein Straßenschild sucht man (wohl aus gutem Grund) vergebens. Wir biegen dort also rechts ein und stehen nach weiteren 100 Metern vor den Resten der Stadtmauer, auf denen das B&B Le Théron thront, von dem aus ich 2011 meine erste Wanderung antrat. Der GR9, auf dem teilweise auch der Hugenottenweg verläuft, beginnt in aller Bescheidenheit direkt gegenüber.


So weit meine kleine Führung. Ich hoffe Sie waren zufrieden.

(Von Trinkgeld hat der Chef nichts gesagt ... )